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Artikel-Schlagworte: „Kundennutzen“

Die PR-Brille aus Sicht eines ehemaligen Redakteurs

Montag, 23. November 2009

Vor ein paar Wochen stolperte ich über die Fünf Gründe, warum man Twitter beruflich nutzen sollte. Fünf Gründe, die mir absolut einleuchteten und die ich gerne an meine eigenen Kunden weitergab. Verfasser der Fünf Gründe war Bernhard Lermann von Lermann PR. Er selbst ist erst seit 2007 auf PR-Seite zu finden, davor war er Ressortleiter von gq.com und leitender Redakteur von vanityfair.de. Seit 1998 publiziert er bereits Texte im Internet, schreibt immer noch für vanityfair.de, familyvalues.de und im hauseigenen Blog. Welche Meinung er zu PR- versus Redaktionsarbeit hat, hat Wörterladen ihn in einem Interview gefragt.

Bernhard-LermannWörterladen: Sie kennen sowohl die Redaktionsseite als auch die PR-Seite. Welche Seite gefällt Ihnen besser? Wieso haben Sie sich für die PR-Seite entschieden?
B. Lermann: Der Wechsel auf die PR-Seite ging bei mir einher mit dem Wechsel vom Angestelltenverhältnis in die Selbständigkeit. Schon das war für mich ein Schritt, den ich bis heute nicht bereue. Inhaltlich liegen Redaktion und PR-Arbeit manchmal gar nicht so weit auseinander. Gerade beim so genannten „Produktjournalismus“. Sicher wird man als Journalist von den Agenturen hofiert und umlagert, das ist nicht unschön, bekommt aber auf Dauer auch nicht jedem. Am Ende schreibt man die Produktinformationen etwas um und hängt noch ein Gewinnspiel daran. Das hat mir irgendwann nicht mehr gefallen. Jetzt betreue ich sehr spezialisierte B2B-Kunden aus der Halbleiter-, Medizin- und Tourismusbranche. Oft geht es dabei um sehr technische Produkte und Anwendungen, die nur einen überschaubaren Markt betreffen. Das macht mir mehr Spaß, denn meistens geht es um Produkte, die vielen Menschen das Leben und Organisieren erleichtern und technisch innovativ und teilweise sogar revolutionär sind.Wörterladen: Welche PR-Strategie braucht es heutzutage, um als kleines Unternehmen wahrgenommen zu werden?
B. Lermann: Die erste Erkenntnis sollte sein: Kein Schwein interessiert sich für mich – und mein Produkt ist auch nicht besser als die anderen. Das kann man natürlich keinem Kunden so sagen, aber mit einer völlig übertriebenen Selbsteinschätzung des Unternehmens kommt man nicht vom Fleck. Interessanterweise schätzen die Inhaber dieser Unternehmen ihre eigenen Fähigkeiten nicht so hoch ein wie das Produkt, das sie herstellen. Sie sehen oft gar nicht mehr, wie gut sie ausgebildet sind und was für ein spezialisiertes Wissen sie besitzen. Wenn wir das Internet als Vertriebsplattform für Inhalte oder Nachrichten sehen, die von Menschen produziert werden, dann ist genau das eine große Chance für Spezialisten und für das, was sie zu sagen haben. Denn im Netz nimmt der ehemalige Massenmarkt nur noch einen kleinen Raum ein. Es gibt viel mehr Platz für die vielen Nischen. Nur wer sich dort mit den richtigen Werkzeugen gut platziert und mit seinem Markt ins Gespräch kommt, wird wahrgenommen.

Man nennt das heute Social Media, weil man bei den Tools auf Blogs, Foren, Twitter, Facebook etc. zurückgreifen kann. Oft vermittelt der Begriff „Social Media“ für meinen Geschmack etwas zu viel von „Zerstreuung“. Man muss natürlich mehr Dinge im Blick behalten, kann aber viel gezielter Nachrichten an genau die Menschen bringen, für die sie relevant sind. Insofern ist die „Streuung“ eher niedriger, dafür aber gezielter als bei alten Marketing- und PR-Strategien.

Wörterladen: Welche Fähigkeiten müssen PR-Leute mitbringen, um ihre Kunden erfolgreich zu unterstützen?B. Lermann: Wie immer ist Zuhören die beste Fähigkeit bei jedwedem Miteinander, das gilt auch und wohl auch schon immer für die PR. Es ist wichtig, seinem Kunden Strategien und Konzepte nachvollziehbar und belegbar zu erklären. Und da kommen Geduld und Einfühlungsvermögen ins Spiel, den eigenen Wissenstand nicht bei anderen vorauszusetzen und verständlich immer wieder Dinge zu erklären, die einem selbst schon lange klar sind.

Mut sollte man besitzen, Ideen zu verkaufen, von denen Sie wissen: das braucht der Kunde. Auch wenn die PR-Branche vielleicht sagt: „Das ist zu früh“ oder „Das klappt nicht“. Die Fähigkeit Fehler zu machen hat zum Glück jeder. Aber mit Fehlern kreativ umzugehen und dies nicht zur Ego-Show zu machen, das ist für viele verständlicherweise nicht leicht. Ich möchte gar nicht von Persönlichkeit, Offenheit und Flexibilität sprechen. Ich denke, das sollte eher die Ausgangssituation sein. Die Möglichkeiten, ein Unternehmen bei der Kommunikation mit seinen Kunden (also nicht nur mit der Presse) zu unterstützen, sind heute sehr vielfältig. Man kann sehr kreativ sein. Momentan investiere ich aber viel Zeit darin, die Kunden von neuen Wegen zu überzeugen.

Wörterladen: Was ist für Sie eine gute Geschichte, um sie den Medien zu „verkaufen“?
B. Lermann: Eine gute Geschichte ist erst mal eine neue Geschichte. Ich könnte alle Bücher von Philip Roth lesen, aber die neuen interessieren mich mehr als die aus den 70er Jahren. Danach kommt direkt der Nutzen: Für die B2B-Presse sind Mitteilungen über den Aktienkurs einer Firma vielleicht uninteressant, bei der Wirtschaftspresse sind sie dagegen besser aufgehoben.

Nichts nervt einen Redakteur mehr als eine Pressemitteilung, die für ihn nicht relevant ist. Der beste Weg, ein Thema zu „verkaufen“ geht meiner Meinung nach über jemanden, der etwas Interessantes zu erzählen hat. Ein Produkt mag wichtig sein, aber wenn ich einem Redakteur eine Geschichte anbiete, tue ich gut daran, ihm auch den Geschichtenerzähler zu liefern. Es schadet nie, sich beim Kunden einen Mitarbeiter zu suchen, der sich klar und unterhaltsam ausdrücken kann und den man für solche Zwecke einsetzen kann. Dieser muss nicht zwingend aus der Geschäftsführung sein.

Wörterladen: Was ist für Sie eine gute Pressemeldung? Wie wichtig ist heutzutage noch eine Pressemeldung in der PR-Strategie – im Hinblick auf die Überflutung der Redaktionen mit Pressemeldungen?
B. Lermann: Ich bin der Meinung, dass die Pressemitteilung weiterhin wichtig ist. Aber sie nur ins Email-Postfach der Redakteure zu schicken, ist reine Verschwendung. Damit würde man sich auf einen Nachrichtenvertriebskanal verlassen, der heutzutage nicht mehr nur Filter, sondern ein winziges Nadelöhr ist.

Abgesehen davon, dass die Redakteure wahnsinnig überlastet sind und nicht so viele Themen bearbeiten können, lesen die meisten ihre Emails gar nicht mehr, sondern räumen nur regelmäßig ihr Postfach auf. Nachrichten sollten auch direkt von den Unternehmen als RSS Feed angeboten werden und einfach von jedem per Twitter, Facebook etc. im Netz verteilt werden können. Das Einrichten eines „Social Media Newsroom“ wird mittlerweile von einigen Agenturen angeboten. Den zu pflegen, kann auch eine Aufgabe für die PR Agentur sein.

Wörterladen: Wie kann sich ein kleines Unternehmen in der Flut an Informationen, die über eine Redaktion hereinbrechen, bemerkbar machen?
B. Lermann: Es macht ja keinen Sinn, sich in Kanälen bemerkbar machen zu wollen, die eh verstopft sind. Jede Branche kann sich heute in einem eigenen Bereich so organisieren, dass man um die besten Plätze gar nicht mehr zu kämpfen braucht. Es gibt natürlich originelle Geschichten oder Testimonials, die man als Vehikel für eine Nachricht einspannen kann. So etwas funktioniert immer ganz gut, aber das ist eher die Ausnahme.

Wörterladen: Wie können PR-Leute effektiver mit den Medien zusammenarbeiten?
B. Lermann: Ich habe den Eindruck, dass die meisten Medienleute und PR-Leute mit dem wichtigsten Medium von heute – dem Internet – noch nicht richtig klar kommen. Eine Zusammenarbeit lässt sich dort sehr gut organisieren, diese Möglichkeit gab es vorher nicht. Man könnte den Journalisten die Recherche und die Auswahl der Themen enorm erleichtern. Im Prinzip bräuchte kein Redakteur jemals wieder eine Pressemitteilung zu lesen, die nicht für ihn wichtig ist. Die PR-Agentur  könnte eine Instanz sein, die dem Redakteur die Recherche vereinfacht. So etwas muss man wie gesagt nur organisieren, die Technik dafür steht schon seit einiger Zeit zur Verfügung.

Wörterladen: Herzlichen Dank, Herr Lermann, für das informative Gespräch.